Alltägliche Seltsamkeiten, großstädtisches Leben und jugendlicher Blick auf aktuelle politische Geschehenisse in meiner oft ironischen Sichtweise kommentiert und interpretiert. Gepaart mit Artikeln zu urbaner Musik und Kunst, soll dieser Blog Menschen dazu bewegen nachzudenken, Vorurteile abzulegen, zu lachen und sich ihrer Individualität zu bekennen.

Montag, 9. Juni 2008

Traumwandler

Ich erinnere mich zurück. Ich war vielleicht elf oder zwölf und hatte gerade einen neuen Walkman bekommen. Oben und unten war er gelb, die Seiten inklusive der Bedienknöpfe waren in einem dunklen grau gehalten. Aus heutiger Sicht war das Gerät ein ziemlicher Prügel und ich wundere mich, wie ich es zustande brachte, ihn Tag für Tag in meiner Hosentasche mitzuschleppen.
Das erste was ich tat, nachdem ich mit diesem Geschenk überrascht wurde, war ein Tape aufzunehmen. Ich nahm die erstbeste Kassette die meine Finger greifen konnten und kramte nach allen CDs, die ich zu dieser Zeit besaß. Es fanden sich schreckliche Scheiben darunter, aber auch vereinzelt Alben von Bands, die ich heute gelegentlich noch höre. Nevermind von Nirvana, Enema of the State von Blink 182 oder konträr dazu Bambule von den Beginnern und Esperanto von Freundeskreis. Mir wird klar, dass in meinem Musikgeschmack noch nie eine klare Linie erkennbar war.
Ein Tape aufzunehmen, glich einem Ritual. Zuerst wurde die Kassette in das dafür vorgesehene Fach meiner Stereo-Anlage gelegt, anschließend das CD-Deck geöffnet und der Silberling hinein gegeben. Dann drückte ich zweimal auf die Play-Taste und wählte den gewünschten Titel aus. Es war angerichtet, nun durfte nichts mehr schief gehen. Über den Recording-Knopf ließ ich das Band der Kassette ein, zwei, drei Sekunden laufen, bevor ich erneut auf Play drückte und so das Abspielen der CD bewirkte. Während der ganzen Zeit der Aufnahme saß ich immer im Schneidersitz vor der Stereo-Anlage und habe der Musik gelauscht, andächtig. War ein Song zu Ende, stoppte ich die Kassette und wiederholte den Vorgang immer und immer wieder, bis das Band am Ende angelangt war.
Ich bin ein schrecklicher Morgenmuffel. Doch als am nächsten Morgen der Wecker klingelte, musste ich nicht von den strengen Worten meiner Mutter aus der Lethargie befreit werden, wie es sonst üblich war, sondern sprang sofort aus dem Bett und suchte den Weg ins Bad auf. Ich freute mich auf die Schule, na ja, eigentlich eher auf den Schulweg, schließlich hatte ich seit gestern einen neuen Freund. Als es Zeit war das Haus zu verlassen, stopfte ich die Kopfhörer samt Kabel unter meinem T-Shirt hindurch nach oben, wo ich die Enden über den Kragen warf. Der überdimensionale Walkman bekam seinen Platz in meiner linken Hosentasche, so dass sich eine große Beule bildete. Dann schlüpfte ich in meine Turnschuhe und zog mir eine Jacke an, bevor ich meiner Mutter ein »bis Mittag« entgegen warf und die Haustüre hinter mir zuschlug. Kurz hielt ich inne, jetzt war der Moment gekommen. Ich nahm beide Ohrstöpsel in die Hände und stopfte sie mir in die Ohren. Erst rechts, dann links. Jetzt zog ich den Walkman – die Kassette war schon seit dem vorherigen Abend eingelegt - aus der Hosentasche heraus und drückte zum ersten Mal die Play-Taste. Ein, zwei, drei Sekunden vergingen, dann wurden die ersten, leisen Töne ausgespuckt. Ich fand den Regler für die Lautstärke und drehte ihn nach oben. Ich hörte Mit Dir von Freundeskreis, ich weiß es noch genau, und machte mich auf meinen Schulweg, der mit Musik im Ohr völlig anders wirkte, aber dennoch derselbe wie immer war.
Jetzt, also gerade im Moment, sind es die gleichen Klänge die mein Trommelfell in Schwingungen versetzen. Ich mochte dieses Lied schon seitdem ich es das erste Mal gehört hatte. Den einfachen Bass-Rhythmus, die leicht versetzten Beats der Hi-Hat, die untermalende Melodie der Sitar, bestehend aus drei, vier Akkorden, Max Herres Sprechgesang und Joy Denalanes sanfte aber doch kraftvolle Stimme (natürlich kannte ich zu dieser Zeit noch nicht deren Namen, es war für mich einfach nur die Band Freundeskreis). Auch verstand ich den Text, ganz bestimmt sogar, schließlich sang ich ihn mit, immer dann, wenn ich dieses Lied hörte und sicher sein konnte, dass ich alleine war. Aber ich begriff ihn nicht oder begriff ihn anders als jetzt, ich weiß es nicht. Es ist Jahre her und die Jahre der Jugend waren lang.
Jetzt, also gerade im Moment, ist es Nacht. Es könnte wärmer sein, ich könnte aber auch dicker gekleidet sein. Es ist Ende März. Ich konnte nicht erwarten, dass es zu dieser Jahreszeit nachts wirklich warm sein würde. Aber es geht so. Ich friere nicht. Noch vor kurzem konnte ich mich ja aufwärmen, drinnen, bei ihr. Ich brachte sie nach hause, den weiten Weg. U-Bahnen fahren zu dieser Zeit nicht und der Bus war weg. Alleine hätte ich sie dort nicht stehen lassen können, an der Bushaltestelle. Doch nicht um diese Uhrzeit! Also brachte ich sie nach hause. Jeder Hintergedanke hatte sich schon zuvor erübrigt. Ich war nur ihr Geleitschutz, auf dem weiten Weg nach hause. Wir sprachen miteinander und durchbrachen so die nächtliche Stille, die über der Lindwurmstraße lag. Wir sprachen miteinander, das wohl, jedoch unterhielten wir uns nicht. Sie war mir fremd auf diese Weise und ich ihr wohl auch. Man merkte, dass wir zwanghaft versuchten oberflächlich zu bleiben. Das war nicht unsere Art und aus diesem Grund war es auffällig. Man merkt es, wenn sich Menschen unnatürlich verhalten.
Als wir bei ihr angekommen waren, hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Ich wusste weder, wie lange wir unterwegs gewesen waren, noch wie spät es war. Eigentlich wollte ich sofort wieder weg von diesem Ort, zu intim erschien es mir, hier zu sein. Es war ihr Zuhause. In meinen Gedanken spielte ich oft durch, wie ich mit ihr vor dieser Türe stand.
Ich stellte mir dann vor, dass wir einen wunderbaren Abend verbracht hätten und ich mit ihr bis hierher gegangen wäre, da es schon spät war. Um diese Zeit fahren keine U-Bahnen und auch der Bus wäre schon weg. Auf dem Weg hätte sie nach meiner Hand gegriffen und ihr müder Kopf würde sich an meinen Oberarm schmiegen. Wir würden uns unterhalten, um uns noch besser kennen zu lernen, und mit jedem Wort würden wir mehr miteinander verschmelzen. Der weite Weg käme mir vor wie ein Katzensprung und die Temperaturen würden ungewöhnlich warm für die Jahreszeit erscheinen. Im Moment der Ankunft würde ich jede scheinbar noch verbleibende Sekunde auskosten, denn ich würde nicht weg wollen von diesem Ort. Sie würde nervös nach dem Schlüssel in ihrer Tasche suchen und mich immer wieder verlegen ansehen. Ihr Blick würde zwischen dem Tascheninneren und mir hin und her wandern. Ihre Wangen würden zart erröten, ein peinlich berührtes Lächeln mir entgegen strahlen. Schließlich zöge sie den Schlüssel aus der Tasche, um die Holztüre des Altbaus einen kleinen Spalt weit zu öffnen. Ich käme schweren Herzens auf sie zu, den Abschied vor Augen. Ergriffen von diesem magischen Moment würde sie die Tür zurück ins Schloss fallen lassen und sich mir zuwenden. Wir stünden uns gegenüber und würden uns kurzzeitig anblicken. Dann würden sich unsere Lippen berühren. Wir würden uns behutsam küssen, während wir das schnell pochende Herz des anderen spüren könnten. Nach Minuten würde sie wortlos mit ihrer rechten Hand erneut die Türe aufschließen. Ihre linke Hand griffe nach mir, um mich über ein paar Steinstufen hinweg, durch den Hausflur hindurch, über eine alte Holztreppe mit knarzenden Stufen hoch in das zweite Stockwerk zu zerren. Vor der geöffneten Wohnungstüre würde sie mir mit einem über den Mund gestreckten Zeigefinger signalisieren, dass ich leise sein müsse, um ihre Mitbewohner nicht zu wecken. Auf Zehenspitzen würden wir durch die Diele in ihr Zimmer schleichen, wo ich mich auf das Bett setzen und mich meiner Schuhe und meiner Jacke entledigen würde. Sie würde das grelle Licht der Deckenlampe gegen den schimmernden Schein von vier oder fünf Teelichtern ersetzen und leise Musik anmachen, so dass ganz bestimmt nur wir beide den souligen Klängen von Erykah oder Jill lauschen könnten, die den Raum sanft einhüllten. Dann würden wir uns lieben und schließlich begleitet vom eintretenden Morgengrauen und dem Gezwitscher der Vögel nebeneinander einschlafen.
Sie musste bemerkt haben, dass ich leicht unter meiner Regenjacke zitterte. Ich war eindeutig nicht dick genug gekleidet. Als ich meine Abschiedsworte aussprechen wollte, verblüffte sie mich, in dem sie mir anbot, noch mit nach oben zu kommen. Ich willigte ein und hasste mich im nächsten Moment dafür. Dieser Frau gegenüber war ich machtlos. Ihre Anziehung schaffte es mich über ein paar Steinstufen hinweg, den Hausflur hindurch, über eine alte Holztreppe mit knarzenden Stufen hoch in das zweite Stockwerk zu zerren, wo sie mich flüsternd darauf aufmerksam machte, dass ich leise sein müsste, um ihre Mitbewohner nicht zu wecken. Also zog ich meine Schuhe vor der Türe aus, bevor ich die Diele der Wohngemeinschaft betrat. Mein Versuch geräuschlos bis in ihr Zimmer vorzudringen scheiterte kläglich. Bei jedem Schritt knurrte der alte Holzboden zornig. Die hohen Wände ringsherum verstärkten den Laut zu einem fast bedrohlich wirkenden Geräusch. Sie war schon vorgegangen und ließ grelles Licht durch den Spalt ihrer leicht geöffneten Zimmertüre in den Flur strahlen. Als ich den Raum betrat, sah ich sie, wie sie hastig herumliegende Kleidungsstücke über den Schreibtischstuhl legte, um schnell Ordnung für ihren späten und unerwarteten Besuch zu schaffen, was mir in Anbetracht des ohnehin aufgeräumten Zustandes völlig überflüssig erschien. Ich setzte mich auf die sauber zusammengefaltete Decke ihres Bettes und lehnte das mir angebotene Wasser dankend ab, obwohl ich schrecklichen Durst hatte. Sie legte eine CD ein und wies mich darauf hin, dass dies die Sängerin sei, von der sie mir vor Tagen erzählt hatte. Ich erinnerte mich wage an die mittlerweile bedeutungslos gewordene Information. Die Musik lief hintergründig. Ich lauschte kaum. Sie setzte sich neben mir aufs Bett und hielt dabei genau den Abstand ein, der einem unmissverständlich den Wunsch signalisierte, nicht näher zu kommen. Freundlich fragte sie mich, ob ich mir ihr Zimmer so vorgestellt habe. Ich zückte mit den Schultern und log, dass ich mir darüber nie Gedanken gemacht hätte. Aus ihrem Bücherregal ragte ein Bildband über Streetart. Ohne zu fragen griff ich nach ihm und blätterte still die ersten Seiten durch, bevor sie sich mir zuwendete und diverse Fotos kommentierte. Dabei legte sie ihre Hand auf die entsprechenden Seiten und streichelte mit einklammernden Gesten um die dort abgebildeten Objekte. Ihre Finger waren lang und schlank, sie wirkten weich. Die Nägel waren gepflegt und von mittlerer Länge, nicht lackiert. Ich konnte meinen Blick nicht von ihren Händen abwenden. Erst als die Wärme in ihrem Zimmer zunehmenden Druck auf meine Augenlider ausübte, beschloss ich, sie zu verlassen. Es fiel mir schwer mich aus der Matratze zu erheben, in die ich mittlerweile schon leicht eingesunken war. Äußerst höflich betonte sie, dass ich wegen ihr noch nicht gehen bräuchte. Aber es war der richtige Zeitpunkt dafür. Durch den dunklen Flur hindurch begleitete sie mich die paar Meter bis zur Tür, wo ich zurück in meine Schuhe schlüpfte. Draußen auf dem Gang, machte sie mir deutlich, dass sie sich über ein Wiedersehen freuen würde. Daraufhin umarmte ich sie kurz und sagte, dass ich darüber erst nachdenken müsse. Dann setzte ich mir meine Kopfhörer auf und machte mich auf den Weg.

Die Zeit steht still. Vogelgezwitscher ist nicht zu vernehmen, das Morgengraue lässt auf sich warten. Ich sehe, dass die Tankstelle auf der anderen Seite geöffnet hat. Ich überquere die verlassene Straße und gehe hinein, ziehe eine Cola aus dem Kühlschrank. Kurz muss ich warten, da der scheinbar müdigkeitsimmune Verkäufer noch den Kunden vor mir bedient. Ich bezahle das Getränk mit dem gefühlten Zentner Kleingeld in meinem Geldbeutel, das ich nach und nach auf die von Snacks und Süßigkeiten gesäumte Ablage auf der Theke lege. Ich habe es passend.
Draußen öffne ich die kalte Flasche und nehme einige kräftige Schlücke, bis es brennt in meinem Hals. Ich schaue hoch zum Himmel. Kaum Wolken, Sterne strahlen mir entgegen. Meine Beine sind schwer, die Füße schmerzen. Ich fühle eine seltsame Leere in mir. Ein schwarzes Loch breitet sich in meinem Bauch aus. Wo dem berühmten Sprichwort zufolge noch vor kurzem Schmetterlinge umherschwirren mussten, ist jetzt nur noch Antimaterie zu finden. Schwermütig setze ich meinen Weg fort, orientiert und doch planlos. Es treibt mich zurück zur Lindwurmstraße, die sich verlassen in Richtung Innenstadt streckt, eingeengt von parkenden Autos. Vor einer Diskothek laufe ich an mehreren erschöpft wirkenden Jugendlichen vorbei, die fast synchron den Rauch ihrer Zigaretten in den gelben Lichtkegel der Straßenlaternen blasen. Gegenüber warten fünf bis sechs Taxen wie die Geier auf zahlungskräftige Kundschaft, die ermüdet von Alkohol, Tanzen und schlechter Luft in Richtung Schlafquartier chauffiert werden will. Einige Meter weiter macht sich eine herumalbernde Gruppe Betrunkener quer über den Bürgersteig breit, so dass ich einen von ihnen leicht zur Seite schieben muss, um vorbeizukommen. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie mir hinterher pöbeln und mich mit großen Gesten darauf aufmerksam machen, dass sie mir nur zu gerne die Fresse einschlagen würden. Der genaue Wortlaut bleibt mir allerdings verborgen, mein MP3-Player übertönt das halbstarke Gebrüll mit All I know von Jazzy Jeff.
Ein paar Schritte weiter bin ich wieder völlig alleine. Dort wo sich tagsüber Blechlawinen an roten Ampeln stauen und Menschen hektisch umher rennen, ist jetzt absolute Stille. Der Rhythmus meiner Schritte und der Musik lässt mich in meinen Gedanken versinken. An mir läuft noch einmal der ganze Abend vorbei.
Zunächst die Begrüßung und dann die Stunden im Zappeforster, dem Café, das ich für unser Date ausgewählt hatte. Sie schlug Wein aus und trank stattdessen Bier. Zuvor aß sie Kohlrabisuppe. Wir sprachen über Gott und die Welt, die Stimmung zwischen uns war ungehemmt, trotzdem spürte ich eine gewisse Distanz, die ihrerseits aufgebaut wurde. Nachdem wir bezahlt und das Lokal verlassen hatten, erklärte sie mir, dass sie sich unsicher sei, was mich betrifft und mir keine großen Hoffnungen machen wolle. Es läge bestimmt nur an ihr, aber das war mir im Prinzip scheißegal. Sie war die ganze Zeit über freundlich und extrem einfühlsam, offenbar wissend, wie sehr die eben ausgesprochenen Worte an mir nagen mussten. Und doch wäre es mir in diesem Moment tausend Mal lieber gewesen, hätte sie sich mir gegenüber widerspenstig verhalten. Ich versuchte gefasst zu reagieren, konnte meine Betroffenheit aber nur schwer verbergen. Sie würde mit der nächsten U-Bahn aus meinem Leben verschwinden, dachte ich mir, doch dann stellten wir fest, dass innerhalb der nächsten hundert Minuten mit keiner zu rechnen war. Wieder an der Oberfläche angekommen, sahen wir, wie gerade der letzte Bus vor uns davon fuhr. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als sie nach hause zu bringen.
Kurz vorm Goetheplatz blicke ich in das dunkle Schaufenster einer Bäckerei, welches sich durch das Hell der Laternen in einen schlechteren Spiegel verwandelt hat, in dem ich eine müde und niedergeschlagen dreinblickende Version von mir erkennen kann. Ich versuche meinem Gesicht freundliche Züge aufzusetzen, doch das Resultat überzeugt mich nicht. Die Mimik wirkt gekünstelt. Der Gedanke daran, dass jeder wildfremde Mensch sehen kann, was mit mir los ist, lässt meine Laune endgültig in den Keller gehen. Ich überlege kurz, ob ich mir in der Löwenbräu-Absteige ums Eck einen Platz am Tresen sichern soll, da ich aber eigentlich im Moment viel lieber alleine bin und nicht wirklich Lust auf die belehrenden Worte eines rotnäsigen Barkeepers habe, der selbst der beste Kunde seines Pilsschuppens ist, lasse ich den Goetheplatz hinter mir und erreiche bald darauf das Sendlinger Tor, wo ich wieder auf menschliches Leben stoße. Vor dem Imbiss neben der Ersten Liga tummelt sich eine kleine Menschentraube, in Erwartung eines verspäteten Abendessens oder eines verfrühten türkischen Frühstücks. Ich mische mich unters hungrige Volk und bestelle einen Dürüm, scharf, ohne Tomate, zum Gleichessen. Mein Magen freut sich, nachdem ich den ersten Bissen verschlungen habe, mein allgemeiner Gemütszustand bleibt davon aber unberührt. Als ich mit dem Verzehr des Multi-Kulti-Fast-Foods fertig bin, stehe ich in der Fraunhoferstraße. Ich bekämpfe den durch die Schärfe heraufbeschworenen Durst mit der übrigen Cola und beschließe, mir einen ruhigen Ort zum Nachdenken zu suchen. Am Ende der Straße nehme ich im schimmernden Rot der aufgehenden Sonne Platz auf einer Mauer an der Reichenbachbrücke. Unter mir fließt die Isar ruhig dem neuen Tag entgegen, während ich im vorherigen Tag festzustecken scheine. Sie sagte, sie würde mich wieder sehen wollen. Ich habe sie längst aus den Augen verloren.

2 Kommentare:

Jochen Nibelung hat gesagt…

Gefällt mir sehr gut! Jeweils die Vorbereitung auf den nächsten Take der Erzählung finde ich gelungen. Alter Walkman, gleiches Lied, neuer Umstand, Vorstellung des Betretens des Hauses und tatsächliches Eintreten des Wunsches, der dann doch zur Irritation führt ist gut gelöst. Auch sehr schönes Ende - aus den Augen verloren...
Es gibt ein zwei Stellen, wo mir die Forumulierungen zu schnell auf Allgemeinplätze kommen. Gerde die Stelle, wo Du über das Einlegen der Kassette in das Tape schreibst, ist mir sehr bekannt, aber ich habe auf irgendeine Überraschung im Text gewartet. Das ist aber schon die einzige kleine Kritik an Deiner Erzählung. Vielen Dank!

Jochen

Jochen Nibelung hat gesagt…

Nochmal ich: Beim zweiten Mal lesen: einfach sehr gut. Das mit der Kassette ist so besehen, gar nicht so wichtig. Der Spannungsbogen ist einfach sehr gut gehalten und man will jederzeit dabei sein.
Also nochmal vielen Dank für den gelungenen Text.